Fast weg und keiner weiß warum – die Spurensuche Gartenschläfer in Hessen

Susanne Steib vom BUND Hessen berichtete am 13. Juli in einem online-Vortrag über den Bilch mit der „Zorro-Maske“

Ein lebendes Fossil

Ein lebendes Fossil mit Verwandten, die in der Grube Messel ausgegraben wurden, das ist der Gartenschläfer. Die Schläfer gehören zu der ältesten Nagetiergruppe. Dies berichtete Susanne Steib vom BUND Hessen bei dem jüngsten online-Vortrag des Nassauischen Vereins für Naturkunde Wiesbaden, den über 60 Teilnehmer verfolgten. Zu den Schläfern gehören auch die in Deutschland vorkommenden Siebenschläfer und die Haselmaus. Der Baumschläfer ist in Deutschland vermutlich ausgestorben. Steib wies auf die charakteristischen Merkmale wie die Nagezähne und die großen Augenhöhlen hin, die ihn als nachtaktiv kennzeichnen. Insekten, Kleinsäuger, auch mal ein Vogel, Pflanzenteile und später im Sommer auch Früchte stehen auf seiner Speisekarte. Als proteinreiche Nahrung wagt sich der Gartenschläfer auch an Schnecken, die er zunächst mit Sand paniert. Dann schabt er den Sand samt Schleim ab, um anschließend den Leckerbissen zu verzehren. Da den Schläfern der Blinddarm fehlt, haben sie keine Möglichkeit Zellulose zu verdauen und so im Winter mehr pflanzliche Nahrung aufzunehmen. So haben sie die Strategie des Torpor entwickelt, bei dem Stoffwechsel- und Energieumsatzprozesse auf ein Minimum gesenkt werden. So kann die Körpertemperatur auf 2° Celsius sinken und die Herzschlagfrequenz auf 2 Schläge pro Minute statt normalerweise 350 Schläge pro Minute. So ist ein Winterschlaf von Oktober bis März oder April möglich. Dafür erhöhen sie ihr Normalgewicht von 50 bis 70 Gramm auf etwa das Doppelte. „Dann sind sie richtige Moppel, fast schon Sumoringer“, schmunzelte Steib.

Guter Kletterer

Mit ihren Sohlenschwielen sind Gartenschläfer gute Kletterer, die sogar an Glasscheiben empor kommen, berichtete Steib weiter. Durch diese spezielle Pfotenform sind sie an ihren Fußabdrücken gut zu erkennen. Dies wird bei den Spurtunneln genutzt. Ihre Nester bauen sie in Baumhöhlen, in Nistkästen, aber auch auf Dachböden und in Gartenhütten. Gelegentlich kommen auch Freinester vor. Als Nistmaterial nutzen sie gerne Moos. „Dann ist die Höhlung gestopft bis oben hin mit Moos“, sagte die Projektmanagerin des BUND. Im Mai beginnt die Paarungszeit, ab Anfang Juni werden dann die Jungen geboren. Gartenschläfer kommen mit vielen verschiedenen Lebensräumen zurecht. Beispielweise gibt es eine Population auf dem Gipfel des Brocken im Harz. Aber auch die Weinberge am Mittelrhein mit ihren südexponierten Wäldern werden von ihnen besiedelt. Bei Lorch kommen sogar ausnahmsweise alle drei Schläferarten gemeinsam vor. Im Fichtelgebirge auf Blößen und Blockschutthalden finden sie ebenso ihr Auskommen wie hier im Rhein-Main-Gebiet in Streuobstwiesen, Gärten und Siedlungen.

50 Prozent Arealverlust in den vergangenen 30 Jahren

„Es ist alarmierend, weil es so schnell geht“, sagte Steib und meinte damit den Rückgang des Vorkommens der Gartenschläfer. Darum habe man die „Spurensuche Gartenschläfer“ ins Leben gerufen. Gemeinsam wollen BUND, die Justus-Liebig-Universität Gießen und die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung mehr über Verbreitung und Lebensgewohnheiten des Bilchs herausfinden. Durch Sammlung von Telemetriedaten und Nahrungsanalysen, beispielsweise durch Kotuntersuchungen, durch den Einsatz von Spurtunneln und das Dormouse-Monitoring-System soll die Datenlage deutlich verbessert werden. Beim Dormouse-Monitoring-System wird eine Röhre mit High Tech ausgestattet, die erlaubt, nicht invasiv Daten zu erheben wie das Gewicht, eine Haarprobe zur Genanalyse und ein Foto. Und auch interessierte Bürger werden in die Datensammlung miteinbezogen. So können die Spurtunnel betreut werden. Diese quadratischen Röhren werden unter Ästen montiert. Da Gartenschläfer sehr neugierig sind, untersuchen sie gerne solche Höhlen. In den Röhren befindet sich ein weißes Papierblatt und davor und dahinter ein „Stempelkissen“ mit einer Farbe aus Speiseöl und Aktivkohle. Regelmäßig werden die Papierblätter kontrolliert, mit Datum und Ort beschriftet und an Steib eingeschickt. Auch andere Beobachtungen beispielsweise mit Wildkameras oder Tonaufnahmen werden gesammelt. Sichtungen oder Ruf-Nachweise können unter www.gartenschlaefer.de gemeldet werden. Um festzustellen, ob Gartenschläfer auch Wälder besiedeln, wurden in diesem Jahr 100 Spurtunnel im Wiesbadener Stadtwald verteilt. 25 Freiwillige betreuen diese Tunnel.

Gartenschläfer-Hotspot Wiesbaden

„Es ist erstaunlich, wie gut diese Meldestelle angenommen wird“, betonte Steib. Es habe bundesweit bisher 4950 Meldungen gegeben, davon 2600 mit Foto- oder Ruf-Datei belegt. 904 davon stammen aus Hessen. Damit liegt Hessen an zweiter Stelle hinter Rheinland Pfalz. Allein in Wiesbaden wurden in diesem Jahr schon über 20 Totfunde gemeldet, darunter viele Katzenopfer. Aber es können auch andere Todesursachen wie Krankheiten festgestellt werden. Beim Sammeln von Kotproben können die Anteile der verschiedenen Nahrungsquellen festgestellt werden. Da meist viele Insekten enthalten sind, könnte das Insektensterben eine Rolle beim Rückgang der Gartenschläfer spielen, mutmaßte Steib. Bei der an den Vortrag anschließenden Fragerunde drehten sich einige Fragen darum, wie lästig fallende Gartenschläfer vertrieben werden können. Die Biologin empfahl das Schließen von Durchschlupfmöglichkeiten mit Drahtgitter und Laufwege mit starken Duftstoffen wie ätherischen Ölen für die possierlichen Tierchen unangenehm zu machen. Das Einfangen und Aussetzen an anderer Stelle sei nicht erlaubt bzw. nur mit Genehmigung möglich.