Panguana: Biodiversitäts-Hotspot im peruanischen Amazonasgebiet

Vortrag von Prof. h.c. Dr. Juliane Diller am 9. November 2021 im Museum Wiesbaden

Bild: Symbol und Logo von Panguana, ein Kapok-Baum

Erst vor wenigen Tagen kam Dr. Juliane Diller aus Peru zurück und schon reiste sie auf Einladung des Nassauischen Vereins für Naturkunde, des Museums Wiesbaden und der Freunde des Museums Wiesbaden in die hessische Landeshauptstadt. Hier hielt sie am Dienstagabend, 9. November 2021, vor gemäß Corona-Bedingungen vollem Vortragsaal einen Vortrag über ihre biologische Forschung sstation: „Panguana: Biodiversitäts-Hotspot im peruanischen Amazonasgebiet“ und wohnte anschließend dem Film „Flügel der Hoffnung bei“. Dieser Film von Werner Herzog ist ihrem Flugzeugabsturz im Peruanischen Regenwald 1971 gewidmet, den sie als einzige überlebte. Damals wollte sie mit ihrer Mutter gemeinsam von Lima aus zu ihrem Vater reisen, der zusammen mit der Mutter dort eine Forschungsstation im Regenwald betrieb. Heute leitet sie selbst die Forschungsstation „Panguana“, deren Schutzgebiet mittlerweile auf 16 Quadratkilometer angewachsen ist.

(Foto: Sabine Neugebauer)

Bedrohung des Peruanischen Regenwalds

In einer Einleitung zum Vortrag skizzierte Dr. Joachim Herbold, international tätiger Agrarökonom und Mitglied im Kuratorium der Panguana-Stiftung, die Rahmenbedingungen in Peru. Der Migrationsdruck auf den Amazonas Regenwald wird vor allem aufgrund der begrenzten landwirtschaftlichen Ressourcen in den Anden immer größer, auch wenn aktuell nur 8 Prozent der Peruanischen Bevölkerung im Amazonasbecken leben. Die rund 64 Millionen Hektar Regenwald in Peru seien außerdem durch Bergbau und die Abholzung und Umnutzung in landwirtschaftliche Flächen bedroht. 50 Prozent der Treibhausgasemissionen Perus seien auf die Entwaldung zurückzuführen. Etwa 150 000 bis 200 000 Hektar Regenwald gingen pro Jahr verloren. Es sei zwar etwa ein Viertel des peruanischen Regenwaldes als Schutzgebiet ausgewiesen, aber nur 10 Prozent mit dem höchsten Schutzstatus, so Herbold weiter.

Bootsanleger am Río Yuyapichis, Foto K. Wothe


Ameisen, Schmetterlinge, Pilze, Reptilien, Amphibien, Affen: Erstaunliche Biodiversität in Panguana

„Das Projekt ist zu meiner Mission und Passion geworden“, sagte Prof. h.c. Dr. Juliane Diller, bekannter unter ihrem Mädchennamen Juliane Koepcke. Sie war bis 2020 stellvertretende Direktorin der Zoologischen Staatssammlung München. Sie selbst ist 1954 in Peru geboren worden, 1968 hatten ihre Eltern die Forschungsstation Panguana, benannt nach einem tropischen Vogel, gegründet. 2011 ist ein Teil des Gebietes zu einem privaten Naturschutzgebiet erklärt und 2014 die Stiftung gegründet worden. Die Forschungsstation bietet Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen Möglichkeiten Fauna und Flora des Primär-Regenwaldes zu erforschen. So gebe es in den Gewässern unter anderem elektrische Messerfische, von denen bisher 10 Arten gefunden wurden, berichtete Diller weiter. Etwa 80 Froscharten und 80 Reptilienarten sind Ausdruck einer außergewöhnlich hohen Biodiversität in diesem Gebiet, wo der Boden relativ nährstoffreich sei. Die Wirbeltierarten sind bereits recht gut erforscht im Gegensatz zu den Insektenarten, wo noch Forschungsbedarf besteht. Dazu gibt es über 500 Baumarten auf dem zwei Quadratkilometer großen Kerngebiet Panguanas, darunter den Lupuna-Baum einen etwa 300 Jahre alten Kapok-Baum, der zum Symbol Panguanas geworden ist. „Pilze sind neben den Ameisen die wichtigsten Lebewesen, die die Biomasse umsetzen“, betonte Diller und zeigte eine filigrane „Schleierdame“, als Beispiel für die vielfältige Funga. Hier gebe es außerdem über 520 Ameisenarten, nur in Costa Rica gebe es mehr, berichtete die Forscherin. Ein Forschungsprojekt hat Raupen und Schmetterlinge anhand von molekularbiologischen Analysen zusammengebracht. Unter den über 600 Arten an Tagschmetterlingen fällt der Rothschildia-Augenspinner mit 20 Zentimeter Flügelspannweite auf. Er ist aber nicht der größte Schmetterling dort. Die Vogelwelt zählt etwa 380 Arten, zudem wurden über 120 Säugetierarten darunter sieben Affenarten in Panguana gezählt. Von den 57 Fledermausarten zählen drei zu den Blut leckenden. Aber es gibt auch Fruchtvampire und nektarfressende Fledermausarten, die besondere Beispiele einer Koevolution zwischen Pflanze und Tier sind. Und nachts könne man eine ganz andere Tierwelt erleben mit zahlreichen Spinnen, Heu- und Stabschrecken, Skorpionen, wusste Diller zu berichten. Aber auch Tapire, Pekaris und der Baumozelot seien dann unterwegs. Zu jeder Tiergruppe hatte Diller entsprechende Fotos dabei, die die zum Teil bizarren Formen und bunten Farben der Tiere veranschaulichten.

Manakin, Foto K. Wothe

Rückkehr an Absturzort

Im Anschluss an den Vortrag beantwortete die Biologin zahlreiche Fragen aus den Reihen des Publikums, bevor der berührende Film gezeigt wurde, in dem Werner Herzog mit Dr. Juliane Diller nach 27 Jahren an den Ort des Absturzes zurückkehrt. Er wollte damals mit seiner Crew auch diesen Flieger nehmen; wurde allerdings zurückgewiesen. So überlebte er und suchte später den Kontakt zu Frau Diller, aus dieser sehr bewegende Film entstand.


Bevor der Besuch aus München am nächsten Tag zurück fuhr, führte Dr. Hannes Lerp (Kurator im Museum) durch das zoologische Archiv des Museums und ermöglichte insbesondere, Teile der historischen Schmetterlingssammlung zu besichtigen, die wohl teilweise auch Vorlage für Zeichnungen von Sibylle von Merian (1647 – 1717) waren. Anschließend beeindruckte die Besucher die permanente Ausstellung „Ästhetik der Natur“, mit ihren vier Teilen.


Prof. Dr. Juliane Diller beim Vortrag (Foto: Helmut Arnold)